Eine aktuelle Studie der TU Dresden zeigt: Wie gut wir uns im Alltag selbst steuern können, hängt direkt mit der Verschaltung unseres Salienz-Netzwerks zusammen.
Menschen, deren Salienz-Netzwerk stärker mit dem exekutiven Kontrollnetzwerk (CEN) verbunden ist – und weniger stark mit dem Default-Mode-Network (DMN) –, berichten von mehr erfolgreicher Selbstkontrolle bei täglichen Versuchungen. Das bestätigt eindrucksvoll, dass unser Gehirn Veränderungsimpulse nicht nur registriert, sondern sie auch aktiv in Handlungsenergie übersetzt.
Was ist das Salienz-Netzwerk?
Das Salienz-Netzwerk („salience network“) ist ein Zusammenschluss bestimmter Hirnareale, vor allem der anterioren Inselrinde (insula) und dem anterioren cingulären Cortex (ACC). Es hilft uns dabei, wichtige von unwichtigen Reizen zu unterscheiden. Es scannt ständig unsere Umwelt (und auch unsere Gedanken), um herauszufiltern, was gerade „salient“, also bedeutsam ist. Dieses Netzwerk ist eine Art innerer Prioritäten-Manager: Es lenkt unsere Aufmerksamkeit auf relevante Informationen und hilft uns, flexibel zwischen Ruhemodus und Handlungsmodus umzuschalten.
Warum ist das wichtig für Veränderung?
Damit wir uns verändern, müssen wir zunächst wahrnehmen, dass Veränderung nötig ist. Das Salienz-Netzwerk spielt hier eine entscheidende Rolle: Es erkennt Diskrepanzen zwischen dem Ist-Zustand und einem potenziellen Soll-Zustand und signalisiert uns so, dass Handeln angesagt ist.
Darüber hinaus aktiviert das Salienz-Netzwerk bei Bedarf das sogenannte exekutive Kontrollnetzwerk, das dann konkrete Handlungspläne schmiedet und uns dabei hilft, Neues umzusetzen. Ist das Salienz-Netzwerk jedoch unter- oder überaktiv, kann dies unsere Veränderungsfähigkeit beeinträchtigen – wir übersehen wichtige Signale oder fühlen uns von zu vielen Reizen überwältigt.
Wie können wir Veränderungsbereitschaft fördern?
Es lassen sich mehrere Ansatzpunkte ableiten, wie wir Veränderung (bei uns selbst oder in Organisationen) konkret fördern können, die direkt an den Mechanismen des Salienz-Netzwerks und seiner Vernetzung mit CEN und DMN ansetzen.
- Achtsamkeit stärken: Achtsamkeitstrainings (z. B. Meditation, Body Scan, bewusste Atemübungen) können das Salienz-Netzwerk positiv beeinflussen. Wer lernt, aufmerksam im Hier und Jetzt zu sein, erkennt leichter, was wirklich wichtig ist. Studien zeigen immer wieder, dass Achtsamkeitspraxis die funktionelle Verbindung zwischen SN und CEN stärkt und das „Herumdriften“ ins DMN reduziert. Relevante Veränderungssignale werden besser erkannt und wir bleiben weniger in automatischen Gedankenschleifen (DMN) hängen.
- Reflexionsräume ermöglichen: Dauerstress führt zu Hyperaktivität des SN, das dann nur noch Bedrohung scannt. Regelmäßige Reflexions- oder Pausenräume, in denen Veränderung spielerisch erkundet wird, unterstützt eine gesunde SN-Aktivierung. In Organisationen kann man durch Workshops oder Coachings das Bewusstsein für notwendige Veränderungen schärfen und so das „Salienz-Radar“ der Teams aktivieren.
- Bedeutung schaffen: Das SN reagiert auf Bedeutsamkeit (Salienz). Veränderungen werden leichter angestoßen, wenn wir ihnen eine emotionale oder persönliche Bedeutung geben. Für Unternehmen bedeutet das zum Beispiel, Vision und Purpose klar herausarbeiten, um Teams und Individuen in ihrer Veränderungsbereitschaft zu unterstützen.
- Kleine Veränderungen = weniger Widerstand im SN: Das Salienz-Netzwerk filtert, ob ein Reiz „besonders“ und damit potenziell stressig oder bedrohlich ist. Kleine Schritte (das neuropsychologische Konzept der „Tiny Habits“) signalisieren weniger Alarm, werden leichter ins Handlungssystem (CEN) integriert und vermeiden Überforderung.
- Individuelle Unterschiede respektieren: Nicht jeder verarbeitet Reize gleich. Veränderungsprozesse profitieren davon, wenn man unterschiedliche Wahrnehmungs- und Verarbeitungsweisen im Team berücksichtigt.
Veränderung beginnt ganz oben
Unsere Fähigkeit zur Veränderung ist kein reiner Willensakt, sondern wird wesentlich durch neuronale Netzwerke wie das Salienz-Netzwerk gesteuert. Veränderung fördern heißt, das SN zu unterstützen, damit es Relevanz erkennt und konstruktiv zwischen DMN (Nachdenken) und CEN (Handeln) wechselt. Wer versteht, wie das Gehirn Veränderungsreize filtert, kann Transformation – sei es persönlich oder im Unternehmen – gezielter und nachhaltiger gestalten.